Sobald es draussen kühler wird und die Abende wieder länger werden, gewinnen Koch-Abende mit Freunden oder Familien-Mitgliedern neuen Reiz. Neben typischen Herbst- und Wintergerichten wie Kürbissuppe erlebt auch das Raclette alle Jahre eine Renaissance. Zu Recht, denn kaum ein Essen ist so unkompliziert, kommunikativ und - dank der unterschiedlichen Raclette-Beilagen - vielseitig wie der Schweizer Pfannen-Spass.
Die Auswahl an möglichen Zutaten ist riesig und reicht von herzhaft-deftig über mild bis süss, sodass jede nach seinem Gusto glücklich werden kann.
Auch wenn der Käse bei diesem Essen die Hauptrolle spielt, muss er sich in Zurückhaltung üben. Echter Raclette-Käse zeichnet sich aus durch milden Geschmack und eine cremige Textur. Diesen Aspekten sollten auch die Alternativ-Sorten entsprechen – wobei mit Appenzeller oder Tilsiter nur beispielhafte Ersatz-Käse genannt sein sollen. Im Idealfall verwendet man unseren originalen Walliser AOP Raclettekäse, welcher aus Milch von Walliser Kühen hergestellt wird und ausschliesslich innerhalb des Kantons Wallis verarbeitet wird.
Pro Person sind etwa 250-300 Gramm Käse nötig. Wird er vom Laib gestrichen, verbleibt in der Regel ein Rest, dessen Gewicht hinzuzurechnen ist. Zur Orientierung: Ein ganzer Laib Raclette-Käse bringt etwas mehr als fünf Kilogramm auf die Waage.
Viele Abbildungen suggerieren, dass der Käse mit Brot verzehrt wird. So zeigt es auch die vielleicht bekannteste Darstellung eines Raclette-Abends – die Verköstigung der kleinen Heidi durch ihren Grossvater, den Alm-Öhi. Ganz falsch ist das nicht, denn tatsächlich begnügten sich viele Sennen vergangener Zeiten mit dem, was sie hatten: grobes, manchmal schon hartes Brot und Resten der Käse-Produktion.
Die eigentliche Beilage zum Schweizer Raclette aber sind «Gschwellti» (Pellkartoffeln). Hierfür empfehlen sich möglichst kleinformatige, etwa gleichgrosse Exemplare fest kochender Sorten. Sie sollten gründlich abgebürstet und über ungesalzenem Wasser gedämpft werden.
Alternativ können die Kartoffeln im Ofen knusprig gebacken werden. Dazu die rohen Knollen der Länge nach halbieren oder vierteln, auf Backpapier auslegen, etwas Öl darauf geben, mit grobem Salz bestreuen und 30-40 Minuten bei Umluft-Hitze von 180 Grad garen.
Des Weiteren können die Kartoffeln durch anderes Gemüse ersetzt werden. Neben Rüebli und Sellerie sind Kohlsorten wie Romanesco und Brokkoli geeignet. Wer mag, kann auch Lauchgemüse wie Zwiebeln und Porree anbieten. Damit das Raclette nicht zu «knackig» wird, sollte alles bissfest vorgegart werden.
Pro Person sind etwa 200 Gramm Kartoffeln oder Alternativ-Gemüse nötig.
Neben den genannten Basics lebt ein Raclette von vielen sauer eingelegten Beilagen. Sie bringen Pep ins Spiel und sorgen für reizvolle Kontraste zwischen mild und würzig.
Zur geschmacklichen Nuancierung des Raclettekäses und der Kartoffeln bzw. Gemüse-Sorten eignen sich
Cornichons Silberzwiebeln Mixed Pickles eingelegte Maiskölbchen, Champignons oder Paprika Maiskörner aus der Dose Cherrytomaten
Insgesamt sollten etwa 200 Gramm der verschiedenen Beilagen für jede Person bereitstehen.
Diese wiederum können durch exotische und aussergewöhnliche Variationen wie grüne oder schwarze Oliven eingelegte Kapernäpfel oder Knoblauchzehen Nüsse oder Pinienkerne Austernpilze Blattspinat, Mangold oder Pak Choi ersetzt werden.
Unabhängig davon, ob die anderen würzenden Beilagen ganz oder teilweise ersetzt werden, sollten insgesamt etwa 200 Gramm pro Person bereitstehen.
Schliesslich und endlich gehören beim Raclette-Essen Gewürze und Kräuter zum individuellen Abschmecken auf den Tisch. Neben den «üblichen Verdächtigen» Pfeffer, Salz und Paprika bieten sich frisch gehackte Petersilie, aber auch Basilikum, Rosmarin und Oregano bzw. Thymian, Majoran und Koriander an. Wer diesbezügliche Vorlieben seiner Gäste kennt, kann auch fein geschnittene Chilischoten und Senf oder Chutneys zum Raclette servieren.
In den Pfännchen oder auf dem heissen Stein moderner Geräte können auch Fleisch- und Fischstücke gegart werden. Hierfür empfehlen sich Shorter wie
Filets Schinken- oder Speckwürfel bzw. -streifen Cipollata
Werden diese Beilagen zuvor mariniert, erhalten sie eine feine Würze und werden schneller gar. Als Beilage reichen etwa 150 Gramm Fleisch oder Fisch pro Person.
Ein leckeres Dessert rundet jedes Essen ab – und darf auch beim Raclette nicht fehlen. Damit die Zubereitung im Kontext der übrigen Speisen steht, müssen einige Gäste vielleicht über ihren Schatten springen und Neues wagen.
Üblicherweise kommen beim Raclette Obst-Sorten wie Ananas, Apfel, Mandarine, Mango oder Pfirsich zum Einsatz. Sie werden direkt in den Pfännchen überbacken – und zwar ebenfalls mit Käse! Als süsse Alternative eignen sich Vollmilch- oder Zartbitterschokolade, Honig und Nuss-Nougat-Cremes.
Für den so gestalteten Nachtisch können sowohl frische als auch eingemachte Früchte auf den Tisch kommen. Hier reichen jedoch schon etwa 50 Gramm pro Person, da die vorangegangenen Speisen sehr gut sättigen.
Traditionell wird zum Raclette Walliser Weisswein gereicht. Ebenso gut eignen sich aber auch andere trockene Sorten, ein fruchtig-herber Rosé oder gut gekühltes helles Bier. Ein Original – und zugleich originell – ist Schwarzer Tee, der die Verdauung anregen soll und das Raclette dadurch bekömmlicher macht.
Doch wie in jeder Speisenfolge gibt es auch beim Schweizer Nationalgericht keine festen Vorschriften oder strengen Verbote. Ein kräftiger Rotwein oder ein dunkles Bier sind genauso erlaubt wie ein Tässchen Kaffee oder ein Schnäpschen. Wer keinen Alkohol mag, darf selbstverständlich zu Fruchtsäften und Wasser greifen oder den Schwarztee durch andere Sorten variieren.
Die meisten aufgeführten Raclette-Beilagen und -Zutaten lassen sich bereits im Vorfeld anrichten; lediglich die Gschwellti/Kartoffeln müssen frisch zubereitet werden, da sie warm gegessen werden. Empfindliche Lebensmittel wie Fleisch und Fisch sollten so lange wie möglich kühl lagern – aber dennoch rechtzeitig auf Zimmertemperatur gebracht werden, damit sie ihr Aroma entfalten können.
Das gilt auch – und erst recht – für den Raclette-Käse. Allerdings lässt er sich im kalten Zustand am besten schneiden. Daher sollte er bereits vor dem Temperieren portioniert werden und dann unter Klarsichtfolie, einem angefeuchteten Geschirrtuch oder Wachspapier ruhen.
Alle Beilagen, die zum Raclette gereicht werden sollen, kommen in separaten Gefässen gleichzeitig auf den Tisch. So kann sich jeder Teilnehmer der Runde nach persönlichen Vorlieben bedienen und individuelle Happen zusammenstellen. Weil jeder Gast sein Pfännchen selbst befüllt und den Garvorgang abwarten muss, kann sich die Tischzeit schnell auf zwei bis drei Stunden summieren.
Damit der Käse zu später Stunde nicht schwer im Magen liegt, sollte ein Raclette-Abend verhältnismässig früh starten.
Im häuslichen Rahmen kommen überwiegend elektrisch betriebene Geräte zum Einsatz. Beim Kauf eines Raclette-Ofens muss streng zwischen zwei Zubereitungsarten unterschieden werden: der traditionellen, bei dem der Käselaib am Stück geschmolzen wird und der modernisierten mit den berühmten Pfännchen, für die Käsescheiben Verwendung finden. Darüber hinaus haben sich auch sogenannte Raclette-Steine etabliert, die ebenfalls mit kleinen Pfannen ergänzt sind.
Alle drei Varianten bedienen das ursprüngliche Anliegen der Raclette-Zeremonie: gemeinsam Speisen zuzubereiten und zu verzehren, dabei zu trinken und zu schwatzen und ein schönes Erlebnis zu haben. Dieser Aspekt wird um den Umstand bereichert, dass sich ein Raclette-Essen ausgezeichnet vorbereiten lässt, sodass Gastgeber und Besucher viel Zeit füreinander haben.
Es besteht absolut kein Zweifel daran, dass sich Freunde und Familien-Mitglieder viel zu erzählen haben. Doch gerade, wer das erste Mal Raclette geniesst, wird sich einige Fragen zu diesem Gericht stellen. Schön, wenn Gastgeber die passenden Antworten parat haben.
Die «Facts zum Raclette» können in Quiz-Form übermittelt werden; aber auch an den Plätzen der Gäste ausliegen, so dass sie sich gegenseitig bereichern können. Gelegenheiten dazu gibt es reichlich, da selten alle gleichzeitig an ihren Pfännchen arbeiten.
Die Geschichte des Gerichts lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Eine alte Klosterhandschrift aus der heutigen Zentralschweiz berichtet von Käse-Laiben, die über Glutresten zum Schmelzen gebracht wurden. Durch das Abziehen und Verzehren der jeweils oben liegenden Schichten umgingen Mönche die Fastenregeln, die das Aufnehmen fester Nahrung verbieten.
Ihren noch immer gebräuchlichen Namen erhielt die Speise vom franko-provenzalischen Wort «racler». Es bedeutet so viel wie «schaben» und umschreibt den oben geschilderten Vorgang. Zugleich ist es aber auch die Bezeichnung des Käses selbst – einer Sorte mit würzig-mildem Geschmack und nur geringer Schärfe. Sie ist im gesamten Alpenraum heimisch, wurde jedoch nur im Kanton Wallis «Raclette» genannt.
Doch weder der Name noch die Herkunft sind geschützt, sodass Raclette-Käse überall hergestellt werden kann und überall unter dieser Bezeichnung verkauft werden darf. Um ein echtes – und damit AOP-zertifiziertes – Erzeugnis handelt es sich nur dann, wenn die Milch für den Käse von Walliser Kühen stammt und ausschliesslich innerhalb des Kantons verarbeitet worden ist.
Geschmackliche oder qualitative Unterschiede sind kaum auszumachen. Dass die Region dennoch als einzig wahre Raclette-Quelle gilt, hat einen anderen Grund: Auf der Exposition Cantonale Industrielle des Jahres 1909 demonstrierten Walliser die uralte Zubereitungsweise des deftigen Gerichts. Das staunende Publikum interpretierte nicht nur die Vorführung, sondern auch die verwendeten Zutaten als Schweizer Nationalgut. Seither ist Raclette nahezu gleichbedeutend mit Raclette-Käse – und immer wieder Anlass für Streitigkeiten.
Kaum ein Essen seiner Art endet vor leeren Schüsseln. Sind trotz präziser Berechnung Raclette-Beilagen übriggeblieben, lassen sie sich am nächsten oder übernächsten Tag zu weiteren feinen Wintergerichten verarbeiten:
Am einfachsten ist es, dem Beispiel vom Vorabend zu folgen und sämtliche Reste in eine Auflauf-Form zu schichten, mit Eiermilch zu übergiessen, Käse darauf zu geben und das Ganze im Ofen zu gratinieren. Für eine besonders knusprige Kruste empfiehlt es sich, den Käse zu reiben und mit Semmelbröseln zu mischen.
Die gleichen Zutaten können auch als Pfannen-Gericht verwertet werden. Einfach mit etwas Fett anbraten und zum Schluss ein Ei darüber schlagen oder Käsescheiben auflegen. Bei aufgelegtem Deckel gerinnt bzw. schmilzt das «Topping» und rundet den Gemüse-Mix ab.
Wer nicht schon wieder Überbackenes essen möchte, kann liegengebliebene Kartoffeln und Gemüse kleinschneiden und in Brühe erhitzen. Auf diesem Weg entsteht ein schneller Eintopf, der wahlweise durch Fleisch-Reste oder Cipollata-Scheiben aufgewertet werden kann.
Schliesslich ergeben auch übriggebliebene Rohwaren ein köstliches Reste-Essen: Ungekochte Kartoffeln und Gemüse grob reiben, mit Ei und Mehl vermengen, nach Belieben würzen und als Rösti ausbacken. Ein Dip aus Quark, Schmand und Kräutern rundet das schnelle Mahl ab.